Schiebst du noch oder trägst du schon?

Diese Tipps für Väter sind gut umsetzbar und sollen dabei helfen, väterliche Kompetenzen zu stärken. Der Vater ist für das Baby die nächst wichtigste Bezugsperson und ist ihm schon aus der Schwangerschaft bekannt. Väter brauchen sich nicht wie das „dritte Rad am Wagen“ fühlen, auch sie können eine tiefe Bindung von Anfang an mit ihrem Baby erleben.

In diesem Artikel werden (na, wer hat es erraten?) die Vorteile des Tragens von Babys behandelt. Vielleicht tust du dich noch etwas schwer mit der Entscheidung, ob du dich wirklich mit einem Tragetuch anfreunden willst oder lieber den wunderschönen neuen Kinderwagen nimmst, den dir eine Freundin angeboten hat. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, wenn man einfach beides zu Hause hat und dann ganz flexibel entscheiden kann, welche Trage-/Schiebehilfe heute genutzt werden soll. Denn man kann wahrscheinlich nur von den wenigsten Omas erwarten, dass sie sich das kleine beim Spazierengehen umbinden. Wenn sie es macht, umso besser! Doch für die anderen Omis wäre ein kleiner Kinderwagen schon hilfreich. Warum euer Baby jedoch bevorzugt getragen werden sollte, erkläre ich euch jetzt.

Die Vorteile des Tragens

  1. Weniger Hüftgelenkprobleme

Das Baby ist anatomisch ans Tragen und nicht ans Liegen (aus evolutions-geschichtlichen Gründen) angepasst. Man sieht es an ihrem noch sehr runden Rücken, der sich erst mit der Zeit streckt. Man sieht die Tragehaltung den Kleinen sehr schön an. Wenn sie auf dem Rücken liegen, fallen ihre Beine an die Seite. Dadurch lassen sie sich auch so wunderbar am Körper anhocken. So kann das Hüftgelenk im ersten Jahr noch nachreifen. Die Beine lassen sich also noch gar nicht gerade hinlegen. Dafür müsste man viel Kraft aufwenden. Dies wird sich erst im ersten Lebensjahr entwickeln. Würde man Babys auf Dauer in einer gestreckten Position fixieren, kommt es zu Fehlbildungen. So gibt es z.B. Indianerstämme, die ihre Babys auf Wickelbretter binden, was vermehrt zu Schäden an der Hüfte führt. Ein Gegenbeispiel sind die afrikanischen Babys, die wiederum sehr viel getragen werden und wo Hüftschäden eine Seltenheit sind. Babys brauchen also ihre Bewegung und das Tragen. Dafür sind sie ausgestattet. Außerdem befindet sich eine dichtere Fettschicht am Rücken des Babys. Dies wird auch als Hinweis gewertet, das Baby mit dem Rücken nach außen getragen werden sollten.

  1. Körperregulation

Es gibt zahlreiche regulatorische Vorteile für das Baby. Durch den engen Hautkontakt wird seine noch unreife Atmung mit reguliert, sein Herzschlag passt sich an und die Brust der Mutter ist tatsächlich dazu in der Lage, je nach Körpertemperatur des Kindes es zu wärmen oder zu kühlen.

  1. Getragene Babys sind glückliche Babys

Es wurde festgestellt, das getragene Babys weniger weinen. Natürlich ist dies kein Allheilmittel und wird nicht bei jedem Baby anschlagen. Dafür sind die Hintergründe bzw. Traumen eines Schreibabys z.B. viel zu stark, als dass sie so verschwinden würden. Doch kann es bei dem ein oder anderen sicher eine große Hilfe darstellen. Getragene Babys sind zufriedener. Sie bekommen genügend Kontakt, hören den vertrauten Herzschlag und die Stimme der Mutter und werden durch die Bewegung so geschaukelt, wie in Mamas Bauch. Das Hormon Oxytocin wird ausgeschüttet, wodurch sich Mama und Baby pudelwohl und sehr verbunden fühlen. Es regt außerdem die Milchproduktion an, was ebenfalls sehr förderlich ist.

  1. Tragen fördert die Entwicklung

Bei Frühchen lassen sich erstaunliche Effekte durch das Tragen nachweisen. Werden diese von Anfang regelmäßig getragen und erhalten somit Körperkontakt, verläuft ihre Entwicklung sehr viel positiver und stabiler als ohne diese Nähe.

Das Tragen ist wie eine Massage für das Baby und wirkt sich dadurch förderlich auf die gesamte Entwicklung aus. Man kann direkt nach der Geburt damit starten und sollte auch nicht zu lange warten, denn nach ca. 6 Monaten haben die Babys sich ans Liegen gewöhnt und werden das Tragen auch nicht mehr einfordern.

Die Laufkompetenz wird gefördert, da Tragen die Hüfte, aber auch die Muskeln und das Ausbalancieren stärkt.

Das Körpergefühl der getragenen Babys ist sehr viel besser entwickelt, da sie hier mehr Stimulation durch das Tragen erfahren. Ein gesundes Körpergefühl ist wichtig für ein gesundes Selbstbewusstsein.

  1. Tragen vermittelt Geborgenheit und Sicherheit

Sie können ihre Umwelt aus einem sicheren Bereich heraus auf Augenhöhe erkunden und wahrnehmen. Ein Baby im Tragetuch ist vor äußeren Einflüssen besser geschützt als im Kinderwagen. Es wird nicht so schnell von Fremden angefasst und wenn es ihm mal zu viel wird, zieht man einfach das Tuch ganz zu. Von dieser „Basis“ aus kann es viel besser selbst entscheiden wie weit es sich seiner Umwelt öffnen möchte oder nicht. Dadurch werden seine Grenzen eher geschützt als im Kinderwagen. Dies fördert unter anderem ebenfalls die Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins.

  1. Tragen fördert den Bindungsaufbau

Auch die Bindungsforschung konnte zeigen, wie positiv das Tragen ist. Es zeigte sich, dass Mütter, die ihre Kinder trugen, besser auf ihre Babys reagieren konnten und mehr Freude mit ihnen hatten. Außerdem waren die Tragekinder eher sicher gebunden als die nicht getragenen Kinder.

Nimmt man diese Faktoren zusammen, ist klar, warum sich bei getragenen Kindern die Lernfähigkeit und Intelligenz optimal entwickeln kann.

  1. Tragen ist das Stillen der Väter

Für den Vater birgt das Tragen ebenfalls noch einen entscheidenden Vorteil, nämlich die Nähe und Bindung mit seinem Baby ebenso intensiv erleben zu können wie die Mutter. Nicht umsonst heißt es „das Tragen ist das Stillen der Väter“. Ein Vater muss nicht das Gefühl haben gerade in der ersten Zeit irgendwie etwas außen vor zu sein und nicht richtig was mit dem Baby anfangen zu können. Im Gegenteil! Väter können ebenso die Bindung zu ihrem Baby aufbauen wie die Mütter, nur ein bisschen anders. Sie können schmusen, kuscheln, pflegen und natürlich tragen! Ist die erste Scheu überwunden (weil sie sich noch unsicher mit so einem „zerbrechlich“ wirkenden Wesen fühlen) lieben die Väter es so sehr, dass sie ihr Kleines bei Spaziergängen oder Ausflügen gar nicht mehr hergeben möchten. (Lese auch hier: 5 Schritten für den Aufbau einer Vater-Kind-Bindung)

  1. Tragen ist praktisch

Dafür spricht auch noch ein ganz praktischer Aspekt: man braucht keinen Kinderwagen! Und das ist tatsächlich in den meisten Alltagssituationen wirklich überaus praktisch. Zu Hause, wenn man noch ältere Kinder oder auch „nur“ den Haushalt zu machen hat und unterwegs, beim Einkaufen, Bus- oder Bahnfahrten usw. usf. Mit einem Kinderwagen merkt man ganz schnell, das die Flexibilität abnimmt. Man steht am Bahngleis und denkt „wo ist denn hier der Aufzug? Gibt es überhaupt einen?“ Da man ihn ja vorher nicht gebraucht hat, ist er einem vielleicht nie aufgefallen. Oder man muss tatsächlich die große Treppe runter. Zum Glück sind die meisten Passanten sehr hilfsbereit, doch einfacher ist es ohne. Man muss auch nicht sofort ein neues Auto kaufen, da das alte zu klein ist und kein Kinderwagen reinpasst. Wir selbst sind im ersten Jahr mit unseren beiden Kleinen in unserem alten Peugeot 206 gefahren. Ging auch, bis er dann im hohen Alter aufgegeben hat.

 

Jetzt ist euch vielleicht klar, warum man immer mehr Eltern sieht, die ihre Kinder tragen. Es ist schon fast wieder trendig und es gibt ja auch rein optisch schöne Tragehilfen für die modebewussten Eltern.

Unsere Erfahrung mit dem Tragen

Mein Mann und ich haben gerne getragen. Mein Mann mit dem Tragetuch, ich lieber mit der Mei Tai (die allerdings erst mit ca. 5 Monaten) und später auch gerne mit der Manduka, die jetzt, wo unsere Jungs 2 und fast 3 Jahre alt sind, immer noch beide im Gebrauch sind, ebenso wie eine feste Trage mit Gestell. Doch nur noch selten, da es jetzt ja immer heißt „selber laufen“ (zum Glück!). Wir haben auch von Anfang an einen geschenkten einfachen Kinderwagen für den älteren verwendet, hauptsächlich aber die Omas. Später haben wirzh noch einen günstigen Zwillingskinderwagen dazu genommen, das fand ich angenehmer, so konnte ich auch während eines Ausflugs von Tragen zu Fahren wechseln. Und natürlich war es ein Muss für die Omas. Tja, so hat sich also im Laufe des ersten Jahres einiges an Fortbewegungsmittel angesammelt und wir hatten noch viel mehr ausprobiert. Mit einem Sling kamen wir z.B. nicht so gut zurecht, ich glaube, den hatten wir zu früh getestet. Es ist also wirklich ratsam mal in ein Fachgeschäft oder zu einer Trageberaterin zu gehen, falls eure Nachsorgehebamme keine ist. Im Geschäft könnt ihr die für euch beste Tragehilfe finden und in der Beratung lernt ihr die besten Bindetechniken, Tipps und Tricks (ansonsten bietet YouTube auch einiges zu dem Thema). Gerade beim Tuch gibt es auch verschiedene Längen man und sollte sich da mal zu beraten lassen, was für einen geeignet ist. Der Vorteil am Tuch oder der Mei Tai ist, dass sie jedes Mal neu gebunden werden und es kein auf eine Person eingestelltes System mit Schnallen ist. Das ist bei der Manduka wieder anders. Wichtig ist, ihr kommt mit der Tragehilfe gut zurecht und fühlt euch wohl. Sonst benutzt ihr sie nicht. Klar, beim Tuch muss man etwas Übungszeit mit einplanen, ist aber die flexibelste Trage, da man mit dem langen Tuch so ziemlich alles binden kann. Und gerade zum Schlafen fanden wir es am besten, da es richtig gebunden, den besten Halt bot und man komplett zu machen kann und das Baby ganz eingekuschelt ist. Mein Mann hat unseren Sohn hiermit auch oft Haut an Haut getragen, ganz nackt, da das Tuch ja ohnehin fast das ganze Baby bedeckt. Das ist bei den anderen Tragehilfen nicht so.

Tragen macht glücklich, also viel Spaß dabei! Macht euch dabei bitte keinen Druck, denn es ist ganz alleine eure Entscheidung, wann und wie viel ihr tragen möchtet, ansonsten macht es ja auch keinen Spaß! Falls ihr einmal das Argument hört: \”Man hat doch immer die Kinder im Wagen geschoben\” (das ist schlichtweg falsch!) und \”Wir wurden doch auch im Kinderwagen gefahren und es hat uns offensichtlich nicht geschadet!\”, empfehle ich diesen Artikel.\"Eure-Anabel\"[templatera id=\”5708\”]

2 Kommentare zu „Schiebst du noch oder trägst du schon?“

  1. Der Text ist sehr gut geschrieben.
    Einzig die Aussage “dann zieht man das Tuch einfach ganz zu” finde ich etwas schwierig für Eltern, die noch keine große Erfahrung vom Tragen haben.
    Es klingt, als zieht man das Tuch dann einfach über den Kopf – sieht man ja leider doch häufiger.

    Ansonsten kann ich nur zustimmen ❤️
    Tragen ist wundervoll ❤️

  2. Auch ich habe 3 Kinder getragen und kann mich dem Gesagten anschließen bis auf eine, wie ich finde wichtige Einschränkung, die leider bisher so gut wie nie in Artikeln erwähnt wird. Es sollte darauf geachtet werden, ob die Spreizung der Hüftgelenke bei einem breiten Körperbau der Eltern nicht zu Gefährdung des Neugeborenen/jungen Säugling führt. Ich sehe vermehrt Neugeborene und junge Säuglinge deren Eltern dies nicht bedenken und die Spreizung (selbst für einen Laien wie mich) sehr ungesund und schmerzhaft aussehen… Manchmal spreche ich dann die (meistens) Väter auch darauf an, dass das ungesund aussieht und wie dies verändert werden kann. Manche Tragehilfen haben einen Keil der für die Neugeborenen verwendet werden kann, damit genau das nicht passiert. Und in der Regel höre ich dann in Etwa, “ach darauf hat keiner geachtet oder wurde nicht hingewiesen”, doch stimmt was du sagst, sieht nicht wirklich gesund aus, da schau ich wie ich das lösen kann.” Denn auch diese Eltern wollten nur das Beste, für das Neugeborene, nämlich tragen… Ich wuerde mich sehr freuen, wenn dies von Hebammen, Doulas, Eltern, Ärzten, Tragehilfenherstellern und Trageberaterinnen mehr in den Fokus genommen werden würde, damit den Kindern durch das Tragen kein Hueftschaden entsteht.

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