Haben die Gefühle der Kaiserschnitt-Mütter recht, die sagen: “Ich habe überhaupt keine Geburt erlebt, ich hätte so gerne eine Geburt erlebt”?
Hier schon einmal gleich die Antwort: „Natürlich ist Kaiserschnitt auch eine Geburt“!
Und jetzt möchte ich Euch erzählen, warum mich der Satz “Ist Kaiserschnitt überhaupt eine Geburt?“ so aufregt und weshalb es so wichtig ist, was Ärzte, Hebammen und anderes Pflegepersonal aufmerksam aufpassen solle, was sie einer frisch gebackenen Kaiserschnitt-Mutter sagen und welches Bild sie ihr mitgeben.
Viele Kaiserschnitt-Mütter, welche ich begleitet habe, hatten nach einem Kaiserschnitt das Gefühl, die Geburt des eigenen Kindes „verpasst“ zu haben und keine richtige Geburt gehabt zu haben.
„Ich habe mein Kind nicht geboren“ ist ein regelmäßiger Ausspruch. Manchmal berichten Frauen auch, dass sie darum baten, Einsicht in den Geburtsbericht zu bekommen und der Arzt entgegnete: “Wie? – Sie möchten den Geburtsbericht, das Geburtsprotokoll? – Sie hatten keine Geburt! Sie meinen bestimmt den OP-Bericht!”
Das sind Sätze, die einem Schlag ins Gesicht der Frau gleichkommen.
Es sind heute (leider!) so viele Frauen, welche die Geburtserfahrung eines Kaiserschnitts machen. Teilweise liegt die Kaiserschnittrate – je nach Region und Klinik – bei über 30 % aller Geburten. Das heißt, der Kaiserschnitt ist ein gängiges Verfahren und für die Ärzte, Hebammen und das gesamte Personal drumherum schon fast Routine.
Für die individuelle, betreffende Frau, die eine Geburt erlebt, ist es ein absolut außergewöhnliches, einzigartiges Erlebnis! – Auch beim zweiten, dritten, vierten oder fünften Kind. Ganz egal wie viele Kinder ihr schon geboren habt – egal, ob mit Kaiserschnitt oder natürlich. Ihr wisst, es ist immer total außergewöhnlich, da jedes Kind einen anderen Weg auf diese Welt findet und jede Geburtsreise einfach so unterschiedlich ist. Es gibt aber so viele Frauen, die nach einem Kaiserschnitt das Gefühl haben, diese Reise nicht beendet zu haben.
Jetzt stellt euch bitte einmal vor, wie es sich für das Baby anfühlen muss, wenn schon die Frauen dieses beklemmende Gefühl haben. Die Babys haben die Geburt gestartet, haben alle Anstrengungen auf sich genommen und kurz vor dem Ziel hat man sie „einfach“ aus dem Bauch geholt.
Natürlich ist es eine andere Geburtserfahrung, es ist eine andere Form auf diese Welt zu kommen und das Licht der Welt zu erblicken (das bei Kaiserschnitten häufig besonders grell ist) – und trotzdem Du hast danach ein Baby, du bist als Mutter geboren, die Familie hat sich vergrößert.
Das heißt unausweichlich: Ja! Ein Kaiserschnitt ist eine Geburt! – Natürlich ist es nicht die natürliche vaginale Geburt…
… aber wisst ihr, was in Kliniken alles als natürliche Geburt gilt? – Alles, was vaginal entbunden wurde! ENT-BUNDEN sage ich, nicht GEBOREN!
Die Zangengeburt, die Saugglocke, selbst, wenn noch der Kristeller-Handgriff (häufig nicht richtig situativ passend) angewendet wird, all das sind definitionsgemäß in Kliniken eine „natürliche Geburt“.
Ich möchte heute an euch appellieren: Bitte macht euch klar, wenn ihr selber euer Baby per Kaiserschnitt geboren habt oder eine Kaiserschnitt-Mama trefft: Auch diese Frau, du hat alles für diese Geburt erlebt. Du bist in diese Geburt gegangen und hast Heftigstes erlebt. Dein Körper, dein Geist, physisch und mental wurdest du auf den Prüfstand gestellt und hast alles für dein Baby und eure Geburt gegeben. ALLES!
Wenn dein Kind da ist, hattest du eine Geburt. Eine andere, eine außergewöhnliche Geburt (obwohl wir nah dran sind, dass dies zur Gewohnheit wird). Das ist eure gemeinsame Geschichte.
Lasse nicht zu, dass diese Geschichte zu etwas Trennenden zwischen euch wird, weil da soviel Schuldgefühle, Schmerz, Scham und Versagensgefühle.
Gehe in die Verarbeitung, schaue dir die Situation rückblickend gut an. Wie passt diese zu deiner restlichen Lebensgeschichte.
Vielleicht „musste“ es so kommen? Vielleicht waren die äußeren Bedingungen wirklich so schwer. Es kann gelingen, dass diese Erfahrung zu etwas Verbindenden zwischen dir und deinem Kind wird. Ihr beide wart dabei (vielleicht sogar bei Mehrlingsgeburten, sogar zu dritt oder viert) und ihr habt gemeinsam diese Geschichte erlebt. Es ist Teil eures Lebens. Es war der erste große Übergang deines Kindes von in der Mama zu außerhalb der Mama und für dich der große Übergang (wieder) Mutter zu werden. Egal wie dieser war, es ist uns bleibt Teil eurer Geschichte, die zu großer Verbunden führen, kann – dafür muss man aber manchmal genauer hinschauen, um die Feinheiten zu sehen und zu erkennen.
Gerne unterstütze ich dich dabei.