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Das Geburtstrauma: „Es war eine schwere Geburt“ – und jetzt?

Das Geburtstrauma: Nicht immer erleben Frauen – aus den unterschiedlichsten Gründen – ihre Traumgeburt. Oft wird angenommen, dass nur ein Not-Kaiserschnitt als belastend oder gar traumatisch erlebt werden kann und ein Geburtstrauma zur Folge hat. Dabei wird völlig das individuelle Erleben unterschätzt. Denn bei einem Geburtstrauma oder überhaupt wie eine Geburt erlebt wird, geht es niemals darum, wie es für Außenstehende gewirkt hat. Es zählt einzig und allein wie Mutter und Kind die Geburt erlebt haben. So kann auch für manche Frauen, eine für die Geburtshelfer völlig „normal“ verlaufende Geburt als belastend oder negativ erlebt werden. Es soll nun das Trauma, seine Auswirkung und Bewältigungsmöglichkeiten beleuchtet werden.

Was ist ein „Trauma“

Ein Trauma (griech. „Wunde“) ist eine tiefgehende Verletzung der Seele, nach einem überwältigenden Ereignis. Entscheidend bei einem Trauma ist das Erleben der Person. Wenn sie sich in der Situation ausgeliefert, ohnmächtig und ohne Bewältigungsmöglichkeiten gefühlt hat, kann das Erlebte schwerer integriert werden und ein Trauma entsteht. Das Kampf- oder Fluchtsystem konnte nicht wirken und der Körper schüttete enorm viele Stresshormone aus. Daher sind die Folgen nicht nur seelisch, sondern auch körperlich verankert. Das gilt für jedes Trauma – besonders auch für Geburtstraumata.

Man unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Trauma.

Zum einen gibt es von Menschen zugefügte Traumata (durch Unfälle, Angriffe, andauernde, sich wiederholende Ereignisse). Dazu zählen:

  • Autounfälle, Gewalt, Missbrauch, Entführung, Mobbing, Drohungen, Verlust einer nahen Bezugsperson, Sekundärtraumatisierungen (Gewalt mit ansehen; nicht helfen zu können usw.) und vieles mehr.

Zum anderen gibt es die Traumata, die ohne menschliches Zutun passieren. Dazu gehören:

  • Naturkatastrophen, Unfälle, schwere eigene Geburt, Geburtstraumata, Todgeburt, plötzlicher Kindstod, Krankheiten, Lebensumstände (Armut usw.) und vieles mehr.

Außerdem gibt es noch die Kollektiv-Traumata, die gleich mehreren Menschen gleichzeitig wiederfahren:

  • Naturkatastrophen, aber auch Diktaturen, Massenmord, Terroranschläge, Krieg und vieles mehr.

Wichtig dabei ist es zu verstehen, dass ein Trauma, im Grunde ein Schutzmechanismus unseres Körpers und Geistes ist, um unser Überleben in einer absoluten Ausnahmesituation zu garantieren. Für diesen Moment ist es also lebensnotwendig. Doch dann muss das Trauma in Körper und Seele aufgelöst werden. Zumal ein (Geburts-)Trauma transgenerativ weitervererbt werden kann.

Symptome des Geburtstraumas

Es gibt einige Symptome, die sehr typisch sind und oft nach traumatischen Ereignissen auftreten.

  • Flashbacks sind Momente, in denen ungewollt und unkontrolliert Erinnerungen in Form von Bildern, Gerüchen oder Gefühlen vom Geschehenen auftauchen. Oft werden diese von einem Schlüsselreiz (sog. Trigger) ausgelöst, der an die Situation erinnert.
  • Menschen mit einem Trauma vermeiden oft Orte, Dinge, Personen und Gedanken, die mit der Situation zu tun haben. Das kann so weit führen, dass sie sich an das Geschehene nur in Bruchstücken oder gar nicht erinnern können und es daher auch nicht alleine integriert werden kann.
  • Schlafstörung, Konzentrationsschwäche und emotionelle Taubheit sind weitere Erscheinungen, die zum Leiden der Betroffenen beitragen.
  • Außerdem können aus einem Geburtstrauma weitere psychische Erkrankungen entstehen. Darunter fällt am häufigsten die Posttraumatische Belastungsstörungen. Sie wird diagnostiziert, wenn die genannten Symptome mehr als vier Wochen anhalten und sich chronifizieren. Auch auftreten können unter anderem Anpassungsstörungen, Angst- und Zwangserkrankungen.

Dies verdeutlicht, wie wichtig die Aufarbeitung einer traumatischen Erfahrung für das gesamte weitere Leben ist!

Eine “schwere Geburt” oder ein “Geburtstrauma”?

Bei einer Geburt kann, wie bei jeder der genannten Situationen auch, nur die Frau am Ende sagen, ob es für sie zwar ein schwieriges, aber bewältigbares Ereignis war oder ob all ihre Ressourcen aufgebraucht wurden. Vielleicht lässt sich dies nicht immer direkt nach einer Geburt einordnen. Doch wenn eine Mama auch nur einige der oben genannten Symptome bei sich feststellt, ist dies ein Zeichen, dass sie evtl. stärker belastet war, als sie es gerne gehabt hätte.

Da die Mutter nach einer solchen Geburtserfahrung erst mal mit der Bewältigung dieser beschäftigt ist, kann dies unter Umständen auch die Mutter-Kind-Bindung beeinträchtigen. Die so oft beschriebene „Mutterliebe“ stellt sich vielleicht nicht sofort ein, was leider noch ein absolutes Tabuthema ist und die betroffenen Mütter sich gar nicht erst trauen dies mitzuteilen. Dazu stellen sich dann oft noch Schuld- und/oder Versagensgefühle ein, welche die Situation zudem verschlimmern.  

Es gehören viele Faktoren dazu, wann eine Mutter von einer schweren oder von einer traumatischen Geburt (Geburtstrauma) spricht. Einer davon ist mit Sicherheit die eigene Geschichte, die jede Frau auch mit zur Geburt bringt (lese hierzu meinen Blogartikel: „Mit dem Lebensrucksack durch die Schwangerschaft“). Je nachdem ist sie „traumasensibel“ oder hat entsprechende „Resilienzfaktoren“, die für eine gute Verarbeitung der Erfahrung sorgen.

Jede Frau sollte in ihrem individuellem Erleben gehört und ernst genommen werden. Das ist das wichtigste, was man als betreuendes Personal, aber auch im direkten familiären Umfeld im Blick haben sollte.

Was du tun kannst, um ein Geburtstrauma zu verarbeiten

  • Zuallererst ist es wichtig, die Trauer und den Schmerz anzuerkennen und nicht den „Deckel drauf“ zu machen und zu versuchen, das Geburtstrauma einfach zu ignorieren, weil alle anderen sagen, dass es doch gut ist. „Hauptsache alle sind gesund“ mag körperlich richtig sein. Doch das Gleiche gilt auch für erlittene seelische Verletzungen, die vielleicht noch heilen müssen.
  • Erlaube dir und eventuell deinem Baby den Schmerz zu beweinen und eurer Trauer über das Geburtstrauma Ausdruck zu verleihen.
  • Fühle dich niemals dazu gedrängt, jemanden das Erlebnis deiner traumatischen Geburt zu schildern! Öffne dich nur, wenn du dich sicher, geborgen und verstanden fühlst. Unsensible Stimmen können sich dann wie Stiche in die Wunde anfühlen.
  • Deine Gefühle aufzuschreiben und auch das traumatische Geburtserlebnis zu verschriftlichen kann helfen ungute Gefühle loszulassen und die Erinnerungen zu sortieren. Vielleicht sogar auf einen Zettel, den man dann beim Verbrennen beobachtet, um das Geburtstrauma etwas zu lindern.
  • Wenn dann noch Lücken bleiben, kann ein Nachgespräch über die traumatische Geburt mit jemandem aus dem geburtshilflichen Team helfen, zu verstehen, wann und warum welche Maßnahmen eingesetzt wurden. Es ist auch möglich, das Geburtsprotokoll anzufordern und einzusehen.
  • Bei großer Wut und Enttäuschung über die betreuenden Personen kann es sinnvoll sein, einen Brief an diese zu schreiben. Schildere darin dein persönliches Erleben und deine Gefühle. Entscheide erst später, ob du den Brief an die entsprechende Person oder Einrichtung abschicken möchtest. Schon das Schreiben ist Teil des Heilungsprozesses eines Geburtstraumas.
  • Knüpfe mit deinem Kind wieder da an, wo ihr beide in der Schwangerschaft schon mal wart: in einer tiefen und innigen Verbindung. Dafür bietet sich das Bondingbad nach Brigitte Meissner an. Hier kann die Bindung nach einer traumatischen Geburt wieder aufgebaut und das verpasste Bonding nachgeholt werden. Es wird der direkte Moment nach der traumatischen Geburt nachempfunden. Bade das Baby dafür (am besten im Badeeimer neben dem Bett) erst im schönen warmen Wasser (wie im Fruchtwasser). Anschließend wird das Baby direkt auf die nackte Brust der Mutter gelegt. Beide werden mit Handtuch und Decke zugedeckt. So, wie es nach einer Geburt ohne Störungen stattfinden würde. Und dann heißt es kuscheln, kuscheln, kuscheln!
  • Sorge für gaaaaaaaaaaanz viel nackten (!) Körperkontakt zwischen dir und dem Baby! Nichts fördert die Bindung im Nachhinein so, wie purer Körperkontakt und ganz viel Kuschelzeit. Mama, Baby (und Papa) schütten ganz viel Oxytocin, das Kuschelhormon (oder auch Liebeshormon), bei Haut-auf-Haut-Kontakt aus.
  • Verstehe und nutze das Wochenbett auch als WOCHENBETT. Das gilt IMMER, doch im Besonderen nach schwierigen oder traumatischen Geburten. Gönnt euch die Ruhe und Kennenlernzeit! Habe kein schlechtes Gewissen, wenn du Besucher nach Hause schickst oder auf einen unbestimmten Termin verschiebst. Denn es gibt jetzt nichts Anderes und Wichtigeres zu tun, als dich und dein Kind ankommen zu lassen und das Geschehene zu verarbeiten, damit keine bleibenden „Schäden“ entstehen.
  • Bei Bedarf: hol dir Hilfe! Akzeptiere es nicht, wenn keine Besserung eintritt, glaube nicht, dass du „da durch“ musst und ein Geburtstrauma einfach wieder verschwindet. Die erste Zeit nach einer traumatischen Geburt ist so wichtig für euch und die Heilung kann ganz frisch starten. Es gibt mittlerweile vielfältige Hilfsangebote bei Geburtstraumata, sodass Jede das passende für sich finden kann. In der Emotionellen Ersten Hilfe (EEH; in der ich auch die Ausbildung schon zum Teil abgeschlossen habe), wird mit Gesprächstechniken, aber vor allem auf der körpertherapeutischen Ebene den Babys und auch deren Müttern nach schweren Geburten und bei Geburtstraumata geholfen.

Fazit:

“Was für einen ein Trauma, ist für einen anderen ein schlechter Tag!”

Das Erleben jeder einzelnen Frau (und das gleiche gilt für die Babys) ist entscheidend dafür, wie sie die traumatische Geburt verarbeitet. Das lässt sich niemals auf alle Frauen übertragen.

Bei jedem Trauma oder daraus erfolgten psychischen Erkrankungen ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu holen, da diese auch transgenerativ weitervererbt werden können. Das gilt besonders auch für das Geburtstrauma.

Ich wünsche jeder Frau unter der Geburt Begleiter, die bindungsorientiert und traumasensiblen handeln, um so viele Faktoren wie möglich für ein „schlechtes“ Erleben der Geburt auszuschließen. Bei einem solchen Umgang mit Mutter und Kind können die entstandenen Folgen auch viel leichter erspürt werden.

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